Die Macher des Machiavelli-Podcasts haben gezeigt, wie sich Politiknerds und Rapfans vereinen lassen. Ihre Erfahrungen nach einem Jahr Sendezeit.
Vassili Golod und Jan Kawelke – zwei Namen, die in den vergangenen Monaten für Furore sorgten. Zwei junge Männer, deren Klamottenstil nicht unterschiedlicher sein könnte. Zwei Herzen, die gemeinsam schlagen, und zwar für Rap und Politik. #WennNichtMitRapDannMit…
Vassili und Jan sind die klugen Köpfe und starken Stimmen hinter „Machiavelli“, dem COSMO-Podcast über Rap und Politik, der genau vor einem Jahr, einem Monat und einem Tag online ging.
Mit einem traumhaften Blick auf den Starnberger See habe ich mir die beiden geschnappt und über das vergangene Jahr gesprochen. Was haben sie gelernt? Was würden sie noch einmal anders machen? Und checken Vassili und Jan eigentlich Fakten oder glauben sie alles, was ihnen ihre Gäste auftischen?
Den Machiavelli-Podcast gibt es jetzt genau seit einem Jahr. Was sind eure Learnings aus der ganzen Zeit und welche Aufgaben beziehungsweise Herausforderungen sind auf euch zugekommen, die ihr am Anfang, als ihr gestartet seid, gar nicht so im Blick hattet?
Vassili Golod: Unsere wichtigsten Learnings sind, dass man das Medium Radio oder Audio eigentlich noch einmal ganz neu und anders denken kann. Das normale klassische Formatradio wird immer professioneller, es ist alles durchformatiert, du hast irgendwie ganz klare, klassische Sendungen. Aber das, was Radio und Audio eigentlich so stark macht, ist irgendwie verloren gegangen. Dieses Überraschende, das Spiel mit verschiedenen Tönen, auch mit längeren Tönen. Das ist alles weggegangen, und das versuchen wir, für jede Folge ganz neu aufzugreifen. Wir fangen immer mit einem weißen Blatt Papier an, wie man so schön sagt. Das ist eine Floskel, aber ist bei uns wirklich so. Wir haben keine Struktur, und dann basteln wir irgendwie drauf los. Das Learning ist eigentlich, dass wir einfach genau so immer arbeiten. Also wir machen das schon ein ganzes Jahr, aber wir sind jedes Mal aufs neue überrascht, wenn ein neuer Machiavelli-Mittwoch auf uns zukommt.
Jan Kawelke: Ja, wir holen uns die Freiheit des Radiomachens zurück. Ich würde sagen: Reconquista Radio! Kann man das sagen, oder ist das zu martialisch? Es ist eigentlich, was Vassili schon gesagt hat: Wir setzen uns keine Schranken im Kopf, wir machen das, worauf wir Bock haben, und wir ordnen die Form eigentlich immer dem Thema unter. Also, wie können wir das Thema, das wir besprechen wollen, und die Gäste, mit denen wir zu diesem Thema sprechen wollen: Wie können wir das beste Format dafür finden? Wir müssen uns kaum an Vorgaben halten, und ich glaube, diese Freiheit macht das Format so stark und im Endeffekt dann auch hörenswert und erfolgreich.
Ihr besinnt euch mit diesem Podcast sehr zurück, wie Radio auch ganz früher war. Aber gibt es vielleicht etwas, was das Radio von heute von Podcasts noch lernen kann? Also irgendwelche Innovationen, die es damals noch nicht gab, die aber Podcasts oder auch die digitale Welt an sich mitgebracht haben, womit wir das Radio heute eigentlich wieder besser machen könnten?
Vassili Golod: Die größte Innovation ist, alles zu nutzen, was es audiotechnisch gibt. Das heißt, wenn ich einen Interviewpartner oder eine Interviewpartnerin nicht vor das Studiomikrofon bekomme, dann sende ich ein paar Fragen per WhatsApp. Dann kriege ich eine Sprachnachricht und kann diese Sprachnachricht in den Podcast einbauen. Das machen wir regelmäßig mit Politikern, die unterwegs sind, und mit Künstlern, wenn wir einen O-Ton haben wollen. Aber ansonsten muss man das Rad nicht neu erfinden. Es wurde in der Vergangenheit schon großartiges Radio gemacht und es wird immer noch großartiges Radio gemacht bei verschiedensten Sendern, auch beim WDR, wo wir sind. Wir versuchen einfach nur, das, was wir gelernt haben, was wir schon kennen, mit den modernen Gegebenheiten zusammenzuführen.
Jan Kawelke: Ich finde es gut, wenn man voneinander lernt. Ich würde mich aber davor hüten, den Fehler zu machen, jetzt aus dem Podcast-Hype eine Arroganz zu entwickeln und zu sagen, wir wüssten jetzt, wie man Radio besser oder erfolgreich macht. Ich finde es immer wichtig, bei allen Plattformen, ob es jetzt online ist, Instagram oder TikTok, oder ob man einen Text für die Zeitung schreibt, die Form des Mediums zu bedienen und nicht andere Sachen überzustülpen. Wir wollen ja auch nicht, dass die Leute sagen, wir machen jetzt Podcast, aber eigentlich machen sie nur Radiosendungen und laden sie ins Internet hoch. Das ist ja auch nicht Podcasting, und deswegen würden wir jetzt auch nicht das Ganze umkehren und sagen, ihr müsst jetzt Radio machen wie wir Podcasts. Das sind zwei unterschiedliche Dinge, und die haben beide ihre Parameter, und die sollte man einfach bisschen durchblicken und danach arbeiten.
Benutzt ihr irgendwelche speziellen Tools bei der Recherche und Vorarbeit? Wie geht ihr da normalerweise so vor? ´
Vassili Golod: Wir benutzen sehr viel das Internet, das ist unser Haupttool. Wir benutzen und kommunizieren über alle möglichen sozialen Netzwerke gleichzeitig. Was sehr praktisch ist, sind die ganzen Google-Onlineprogramme wie Google Docs, in denen wir gemeinsam an einem Dokument arbeiten können. Aber ansonsten haben wir, glaube ich, kein Zaubereiwerkzeug. Wir versuchen, Slack zu implementieren, mit dem erweiterten Team, das wir haben. Aber das hat sich bisher noch nicht so richtig durchgesetzt, weil wir eben nicht diese klassischen Redaktionsabläufe haben.
Es wurde eben auch sehr häufig das Wort Faktencheck in den Mund genommen. Habt ihr da irgendwelche Vorgehensweisen, wie ihr vielleicht auch im Nachgang, wenn ihr mit einem Gast ein Interview geführt habt, noch einmal kontroverse Aussagen gegencheckt?
Jan Kawelke: Bei Episoden nehmen wir uns manchmal das Recht heraus, wenn wir Interviews geführt haben, diese quasi im Studio noch einmal kritisch zu besprechen. Das war bei Staatsminister Michael Roth auf einer persönlichen Meinungsebene zum Beispiel so. Oder auch beim Rapper Manuellsen, so dass Vassili politisch noch einmal ein paar Sachen eingeordnet hat.Wir nehmen uns die Ruhe, eigentlich über alles noch einmal zu sprechen.
Vassili Golod: Was wir auch machen, ist: Wir schneiden die aufgenommene Folge dann ja noch einmal, und oft ergeben sich in dem Gespräch Themenbereiche, auf die wir uns vielleicht nicht speziell vorbereitet haben, und dann sagen wir aber im Gespräch trotzdem etwas dazu. Wenn wir im Schnitt aber feststellen, das war faktisch irgendwie nicht ganz sauber oder die Passage führt jetzt auch vielleicht zu weit weg von dem, worüber wir eigentlich sprechen wollten, dann schneiden wir das rau. Das ist klassisches, journalistisches Handwerk. Es macht ja nicht Sinn, irgendetwas ins Netz zu stellen, was nicht stimmt. Uns sind die Faktenchecks im Vorfeld, aber auch im Nachhinein, superwichtig. Wir haben aber auch manchmal Situationen, in denen wir eine Folge aufzeichnen, und da kommen dann regionale Dinge wie der Wasen, und wir wissen nicht, was das ist. Wir sprechen das dann im Podcast an und sagen: „Hey Leute, schreibt uns doch einmal!“ Dann kriegen wir von unseren Hörer*innen auch ein direktes Feedback. Das ist auch etwas, was uns ganz wichtig ist, was viele Journalisten früher vielleicht anders gemacht haben. Dieses absolute Wissen, ich bin der Größte, niemand weiß Dinge besser als ich. Das ist Quatsch, und so sind wir gar nicht drauf. Wir wollen diese Interaktion mit den Leuten, die uns hören.
Mit dem Wissen, das ihr jetzt nach einem Jahr habt: Würdet ihr zum Start irgendetwas ganz anders machen?
Jan Kawelke: Zum Start würde ich definitiv schon drei bis fünf Folgen aufgenommen haben und die am Releasetermin herausbringen. Ansonsten haben wir uns drei oder vier Monate Gedanken darüber gemacht, wie wir auf diesen Tag hinarbeiten und wie wir bis zu dem Tag alles fertig haben. Ich finde es immer gut, ein Produkt in dem Sinne ganzheitlich zu denken, 360 Grad zu denken und sich zu überlegen, welche Komponenten spielen dabei noch eine Rolle. Was würde ich anders machen? Mir vorher selbst sagen: „Jan, das wird schon alles!“
Also einfach eine gewisse Gelassenheit mit reinbringen?
Jan Kawelke: Ja, genau! Das ist generell ein guter Ratgeber.
Vassili Golod: Wir haben von Anfang an eigentlich sehr darauf gehört, was unser Bauch uns gesagt hat. Das war gut, das hat sich gut angefühlt, und unsere Chefin Schiwa Schlei hat uns darin unterstützt, das auch einfach zu machen, dem zu folgen. Ich glaube, ich würde es wieder genauso tun. Und ich würde anderen raten, viel mehr auf das eigene Bauchgefühl zu hören und einfach mal Sachen zu machen, auf die sie Bock haben.
Jan Kawelke: Ja, man! Das ist voll die Sache, wirklich. Wir haben nichts gemacht, bei dem wir uns unwohl gefühlt haben, und wir haben die Sachen gemacht, auf die wir Bock hatten. That’s it!
Top 30 bis 30
Wusstet ihr schon, dass Vassili und Jan kürzlich vom medium magazin zu den „Top 30 bis 30“ gekürt wurden? An dieser Stelle noch einmal herzlichen Glückwunsch vom gesamten Team!