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Fakten? Check!

Höchste Priorität: Wahrheiten aufdecken und Lügner entlarven. Das können Journalisten von Rechtspsychologen lernen.

„Tatsachen muss man kennen, bevor man sie verdreht.” Mark Twain erkannte schon früh, dass es anstrengend ist, Lügen zu erfinden. Anstrengender, als die Wahrheit zu sagen. Diese wollen wir Journalist*innen natürlich an die Öffentlichkeit bringen, erfundenen Aussagen keinen Raum geben. Einfach ist das nicht. Allerdings gibt es viele Techniken, die uns dabei helfen können.

„Lügen ist anstrengender, als die Wahrheit zu erzählen.”

Dass nicht nur wir auf Wahrheitssuche sind, ist klar. Auch andere Profis checken intensiv Fakten. Und von ihnen können wir noch einiges lernen. Die Rechtspsychologin Dr. Sandra Loohs hat im Workshop „Professionell zweifeln – wie andere Profis Fakten checken” einen Einblick in ihre Arbeit gegeben.

Sie wird gerufen, wenn vor Gericht Zeug*innenaussagen auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden müssen. Menschen im Alter von drei Jahren bis ins hohe Erwachsenenalter werden von Dr. Sandra Loohs befragt.

Es gibt deutliche Schnittstellen zwischen der journalistischen und der rechtspsychologischen Tätigkeit. In beiden Bereichen herrscht oft eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation, und der Wahrheitsgehalt von Befragten ist unklar. Es gilt, herauszufinden, ob das Erzählte stimmt und Fakt und Fiktion sich nicht überlappen.

Dabei gibt es viele Kleinigkeiten zu beachten, genaues Hinterfragen ist wichtig. Denn es ist nicht erwiesen, dass es „Lügen-Merkmale” beim Verhalten von Befragten gibt. Wie wird dann also ein*e Lügner*in entlarvt?

„Das Gedächtnis ist kein Videorekorder.”

Jeder Mensch verhalte sich beim Lügen anders. So wie eben auch jeder Mensch ein Individuum ist. Wenn also jemand beim Erzählen normalerweise viel gestikuliere und das auf einmal unterlässt, könnte dies ein Anzeichen dafür sein, dass er gerade etwas Falsches erzählt. Lügen strenge uns nämlich mehr an, als die Wahrheit zu erzählen. Wir seien viel mehr unter Strom und würden uns untypisch für unseren Charakter verhalten.

Auch interessant und wichtig sei: Jemand, der etwas erfinde, behalte viel mehr Struktur im Erzählen, als jemand, der etwas wirklich erlebt hat. Bei tatsächlichen Erlebnissen weiche man beim Erzählen viel öfter vom Thema ab – komme aber auch leicht wieder zum Thema zurück.

Beschleicht uns als Fragende das Bauchgefühl, das Gesagte ist „too good to be true” (zu gut, um wahr zu sein), sollten wir laut Dr. Sandra Loohs unbedingt nachforschen. Ganz bestimmte Fragetechniken helfen dann, unsere*n Interviewpartner*in aus der Gedächtnisreserve zu locken. Denn manchmal ist es gar nicht so leicht, sich „richtig” zu erinnern.

„Das, was wir unserem Gegenüber erzählen, entspricht oft der subjektiven Wahrheit. Nicht der objektiven.”

Bei Interviews, so Dr. Sandra Loohs, sollten wir vor allem ergebnisoffen bleiben. Viel zu oft seien Journalist*innen nur auf ein Ziel fokussiert und dann überfordert, wenn das Gespräch in eine ganz andere Richtung führt. Es helfe, den Befragten erst einmal zum freien Bericht aufzufordern, ohne ihn direkt mit Fragen zu bombardieren.

Aufmerksames, emphatisches Zuhören, kein Unterbrechen und auch keine Zwischenfragen stünden dann an oberster Stelle. Danach könnten wir Rückfragen wie „Fällt Ihnen noch etwas ein?” stellen.

Die, im Journalismus schon bekannten Fragen wie „Wo?”, „Wann?”, „Wer?”, „Was genau…?” seien ebenfalls von großer Bedeutung, um möglichst viele Details und somit eine wahrheitsgemäße Aussage zu erhalten.

Auch würden sich Fragen mit offener Schlussalternative anbieten. Stichwortfragen oder geschlossene Ja/nein-Fragen sollten wir möglichst vermeiden. Sie würden dem Gegenüber nur mehr Zeit zum Nachdenken liefern. Es könnte sich dann einfacher mit kurzen Antworten aus der Affäre ziehen. Erwartungsfragen wie „Das stimmt doch so, oder?” sollten in unseren Interviews keinen Raum bekommen, genauso wenig wie Wiederholungsfragen.

Und nicht zu vergessen sei auch: immer mehrere Seiten der Geschichte zu beleuchten und – wenn möglich – unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Meinungen zu befragen. Subjektive Wahrheiten enthielten sehr oft Erinnerungsfehler, die oft auch gar nicht gewollt seien und doch zu falscher Berichterstattung führen könnten.

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