„Die-Anstalt“-Autor Dietrich Krauß erklärt, was der Journalismus von der Satire lernen kann – vor allem in Sachen Recherche.
Dietrich Krauß ist seit 2014 Autor bei „Die Anstalt“ und Herausgeber des Buchs „Die Rache des Mainstreams an sich selbst“. In seiner Zeit als Journalist hat er außerdem schon für die ARD und im Autorenteam der heute show gearbeitet. Auf den Tutzinger Radiotagen hielt er einen Vortrag zum Thema „Die letzte Bastion der Recherche – von Satire lernen?“ und gab uns danach ein Interview.
Wir würden als erstes gern eine Frage stellen, die du selbst eben in den Raum geworfen hast: Wie viel Information verträgt die Satire?
Dietrich Krauß: Das merkt man immer daran, wenn die Leute über längere Strecken nicht mehr lachen. Dann zeigt sich, dass wir die Satire mit information overload ausgestattet haben. Es ist immer das Wechselspiel. Du musst die Pointe vorbereiten, und das ist manchmal nur l’art pour l’art. Aber in unserem Fall ist dann oft eben so: Die Pointenvorbereitung ist auch die Info, und die Pointe ist dann entweder eine weitere Info oder eben eine reine Pointe. Aber das ist ein dauerndes Ausprobieren.
Satire – das witzige Tafelbild
Das heißt, die Satire leidet nicht unter der Information, weil sie darauf angewiesen ist?
Dietrich Krauß: Inzwischen ist es sogar oft so, dass die Leute die Komik gar nicht mehr so unbedingt von uns erwarten. Das geht uns manchmal schon zu weit, dass man uns zu sehr schon als Journalisten sieht und die Leute sagen: „Hauptsache, ihr habt wieder die knallharten Facts und Informationen, und wie witzig das ist, das ist uns gar nicht mehr so wichtig“. Das ist uns dann schon wichtig, weil das einfach die Kunstform ist und der Ehrgeiz, dass man quasi die Aufklärung und den Humor verbindet – möglichst lustig.
Und damit schafft Satire dann einen besseren Überblick? Oder schafft sie das überhaupt?
Dietrich Krauß: Sie kann ein Appetizer sein. Und klar, das Ziel der Form, die wir mit diesen Tafeln gefunden haben, ist, wie eben auch beim Tafelbild von einem guten alten Lehrer, einen Überblick zu geben, einen Einstieg zu geben in ein Thema, die Akteure klar zu machen, wer hat da welche Interessen. Das geht eben oft einfacher mit Humor und wenn man Bildunterstützung hat mit so einer Tafel. Deswegen hat sich das überraschenderweise bei uns gefunden: Tafelunterricht und Humor. Dass es da eine Verbindung gibt, hätte man bisher auch nicht unbedingt denken wollen.
Du hast eben im Vortrag auch gesagt, dass die Satire ein Reaktionsprodukt auf den Journalismus ist. Inwiefern?
Dietrich Krauß: Ja, die Form der Satire. Ein bisschen hat vielleicht diese Boulevardisierung, wie man sie in manchen Medien hatte, diese starke Konzentration auf Persönlichkeiten, Protagonisten und diese Anlehnung an Storytelling, dazu geführt, dass sich die Informationen dann geflüchtet haben in die Satire und da überraschenderweise ein Zuhause gefunden haben. Ich denke, je mehr Journalismus das auch in den Hauptsendezeiten an sich zieht, dann wird auch wieder die Satire ihr Gesicht verändern. In den zurückliegenden Jahren war sie aber eher ein Reaktionsprodukt auf die Boulevardisierung und das Storytelling, die zu einem zu starken Informationsverlust geführt haben.
Aber nimmt man damit nicht dem Journalismus die Zuschauenden beziehungsweise die Leser*innen weg?
Dietrich Krauß: Man könnte ja sagen, die Satire ist im weitesten Sinne auch eine journalistische Gattung. Die Zuschauer sind ja dann nicht ganz weg, sondern sie kriegen die Informationen auf einem anderen Weg. Und wie gesagt, es hindert ja keiner den Redakteur daran, Sendungen zu machen mit Tafelbildern, mit oder ohne Witz, um Altenpflege oder das Alterssicherungssystem zu erklären. Also nur zu! Je mehr Überblicksinformation und gute hintergründige Informationen umso besser.
Im Kern steckt der Witz
Du hast dich gerade während des Vortrages als “satirisches Trüffelschwein” bezeichnet. Was bedeutet das?
Dietrich Krauß: Die hinter die Idee hinter dem Wort „Trüffelschwein“ war einfach, dass einem die Suche nach dem Witz oft hilft, den Kern einer Geschichte zu finden. Und im Kern steckt dann oft der Witz, da steckt der Widerspruch, und aus dem lassen sich wieder Pointen schlagen. Insofern hilft der Witz manchmal, ein Thema zu durchdringen und auf den Punkt zu bringen. Das muss man ja immer schaffen, aus dem Wust von Informationen den Kern zu finden, den man auch lustig aufgreifen kann. Da hilft manchmal der Humor, aber am besten ist es, wenn der Witz aus der Sache selbst kommt und nicht irgendwie nur äußerlich draufgesetzt werden muss.
Was hilft denn noch, außer Humor, was der Journalismus vielleicht von der Satire lernen kann?
Dietrich Krauß: Einfach den Mut zu haben, Informationen zu verdichten und nicht zu sehr Angst zu haben. Also, ich hab keinen Satz so oft gehört in meinem journalistischen Leben wie: „Lass doch weg. Das ist zu schwierig. Das sind zu viele Informationen.“ Dass ich jetzt ausgerechnet in einer Unterhaltungssendung so viele Informationen verdichten kann und keiner sagt, das ist uns zu viel, sagt mir, dass man die Leute oft unterschätzt. Die Leute finden nämlich dann – und sei es bei uns – konzentrierte Informationen, weil sie die gern haben wollen. Ich glaube, da ist oft zu viel Angst vor’m Zuschauer und dass der dann sofort weg ist, wenn man mal zu viel verdichtete Information kommt.
Womit wollt ihr euch noch absetzen vom Journalismus?
Dietrich Krauß: Wir wollen uns gar nicht absetzen. Wir wollen quasi einfach die Satire, zumindest in den letzten Jahren, ein bisschen journalistischer machen und damit inhaltlich vielleicht etwas interessanter als ein reines Schlagzeilenkabarett, das dann oft genauso oberflächlich bleibt wie die Politik oder der Journalismus, den man kritisiert. Oftmals ist eben in einem Thema viel mehr Musik drin als man denkt, wenn man sich nicht nur mit den ganz äußeren oder oberflächlichen Erscheinungsformen beschäftigt. Das macht einfach Spaß und macht alle ein bisschen schlauer.
Wie ist es dann so als “Journalist von Die Anstalt”? Fühlst du dich da manchmal noch zu ernst für ein Unterhaltungsformat?
Dietrich Krauß: Wie gesagt: Es ist immer wieder mal so, dass es am Anfang des Produktionsprozesses erst einmal nur um die Inhalte geht. Und dann muss man sich aber im Laufe des Produktionsprozesses ein Stück weit auch wieder davon distanzieren. Man muss es erst einmal verstehen, das Thema. Dann kommt man in das Stadium, wo man damit spielt und wo man wieder die Distanz hat. Wenn man es einmal verstanden hat, dann kann man es auch wieder verdrehen. Aber erst muss man verstehen: Wie funktioniert das Thema? Wo sind da die Widersprüche? Wo ist da der Beef? Und wenn man das erst einmal verstanden hat, kann der Humorist quasi auf die Fläche und damit spielen und es verdrehen. Diese beiden Seiten braucht es einfach.
Bloß keinen Unsinn erzählen
Ist Satire ehrlicher und damit glaubwürdiger als der Journalismus?
Dietrich Krauß: Nein. Satire hat ja eine Doppelfunktion: Aufklärung und Unterhaltung. Journalismus hat erst einmal “nur” die Funktion, zu berichten und aufzuklären. Was die Satire schwieriger macht, macht sie auch schwieriger herzustellen, weil sie auch gleichzeitig unterhaltsam sein soll. Die Kunst ist immer, zu sagen: Wann kommt der Unterhaltungsanspruch dem Informationsanspruch in die Quere? Und das dann in einer vertretbaren Balance zu halten. Man wird nie so differenziert sein wie ein gutes journalistisches Stück, das ist auch nicht die Aufgabe. Aber trotzdem keinen Unsinn zu erzählen, bei aller Zuspitzung, die man leisten muss, das ist halt die Kunst.
Tut dir als Satiriker der Journalismus leid?
Dietrich Krauß: (lacht) So weit würde ich nicht gehen. Ich empfinde es schon als Privileg, dass wir uns so alle vier bis fünf Wochen mit einem Thema beschäftigen müssen und nicht diesen dauernden Outputdruck haben, der einfach dazu führt, dass alles so zerhackstückt und einfach viel oberflächlicher sein muss, weil der nächste Abgabetermin droht. Also, das genieße ich schon. Insofern tun mir die Kollegen schon manchmal leid, die jeden Tag dauernd Output produzieren müssen, während wir uns darauf konzentrieren dürfen, eine schöne Dreiviertelstunde zu produzieren.
… und das auch noch öffentlich-rechtlich finanziert.
Dietrich Krauß: Ja gut, es gibt ja auch öffentlich-rechtlich finanzierten Tagesjournalismus. Aber ja, das kommt dazu.